Seit Mitte 2023 gibt es jetzt bereits den neuen Lettmann Biskaya 2.0. Und genau wie bei allen anderen Lettmann-Seekajaks seit 2010, haben wir, aka deine Kanuschule, auch an der Entstehung dieses Kajaks mitgewirkt. Dass der 2.0 wirklich besser ist als der Biskaya 1.0, das ist für uns ununstritten. Aber warum hat es überhaupt noch einen Biskaya gebraucht, obwohl doch Christians Lieblings-Seekajak eh der Akaroa ist. Diese Frage bekommen wir tatsächlich immer wieder gestellt. Und mit diesem Beitrag versuchen wir, sie zu beantworten. Viel Spaß dabei!
Achtung: Ich vergleiche in diesem Text in der Regel den Akaroa mit den Biskayas 75, 85, 80, 90 und 100. Den 55er und 65er Biskaya erwähne ich immer explizit und nehme Bezug auf meine Frau Nadja, da ich in den kleinen Größen des Biskayas nichts verloren habe und diese auch nicht mit dem größeren Akaroa vergleichen sollte.
Text: Christian Zicke
Bild oben: Christian im Akaroa HV
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Akaroa
Ja, tatsächlich. Der Lettmann Akaroa ist nicht nur auf meinen Wunsch hin überhaupt erst konstruiert worden, er ist auch nach knapp vier Jahren am Markt immer noch mein allerliebstes Seekajak. Das hat einige Gründe: Der Akaroa ist stabil wie kaum ein anderes Seekajak seiner Klasse. Er liegt auf dem Wasser wie ein Brett und lässt sich auch von Wellen und Brandung nicht beeindrucken. Zwei Punkte, die ich nicht nur als paddelnder Fotograf zu schätzen weiß, sondern auch als Guide und Kanulehrer, der auch in unangenehmen Situationen noch jemandem helfen können muss – und dabei möglichst entspannt wirken sollte. Der Akaroa ist auch das erste Seekajak von Lettmann, bei dem die Punkte Sicherheit und Manövrierbarkeit (auch bei schwerer See) deutlich vor dem Faktor Geschwindigkeit lagen. Die Zeiger bei der Konstruktions-Uhr schlugen also ganz klar in Richtung Spurtreue und Sicherheit aus, erst dann kam der Faktor Speed ins Spiel. Deshalb ist der Akaroa auch der langsamste 525er, den Lettmann je gebaut hat. Und als wir das so ehrlich kundtaten, bekamen wir prompt die erste bitterböse Mail. In dieser formulierte ein Kunde, der immer schon jedes Lettmann-Seekajak gekauft hatte, dass er den Akaroa niemals kaufen würde – weil wir ihn so ehrlich und unverhohlen als langsam beschrieben haben. Dieser Kunde wollte einfach hören, dass wir wieder ein supersauschnelles Seekajak gebaut haben. Doch wer den Produkt-Text genau gelesen hat, der hat sofort verstanden, dass wir mit dem Akaroa gar kein weiteres super schnelles Seekajak bauen wollten. Sondern dass wir den Schwerpunkt ganz anders gesetzt hatten. Und am Rande: obwohl ein Akaroa im Sprint nicht gegen einen Biskaya 85 gewinnen kann, ist er trotzdem schnell genug. Er hält locker mit jedem Engländer mit – und am Ende macht eh die antreibende Person die Geschwindigkeit. Und bei schwerer achterlicher See oder bei dicker Kreuzsee, da hat dann eh wieder der Akaroa die Nase vorne. Denn der Akaroa läuft auch bei einer kurzen, steilen Welle von hinten noch super geradeaus – und surft an allen vorbei.
Bild oben: Beide lieben dickes Wasser: Christian und der Akaroa, hier vor Kretas Südküste
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Biskaya
Bleiben wir bei der Konstruktions-Uhr: Beim Biskaya wurde hier deutlich mehr in Richtung Geschwindigkeit gedreht. Das bedingt ganz einfach, dass das Kajak nicht ganz so sicher sein kann wie der Akaroa. Und dass es nicht ganz so gut geradeaus laufen kann. Denn die Eigenschaften Geschwindigkeit, Kippstabilität und Geradeauslauf, die konkurrieren ein bisschen miteinander. Trotzdem ist der Biskaya 2.0 in allen Bereichen deutlich besser als der Biskaya 1.0. Denn der Biskaya 2.0 hat viel vom Akaroa gelernt. Er hat mehr S-Schlag, das sorgt für einen besseren Geradeauslauf. Und er hat höher gezogene Steven (die Nase und den Bürzel) und läuft dadurch deutlich trockener, vor allem auch im Surf in langen Wellen. All das macht den Biskaya 2.0 sicherer als seinen Vorgänger. Aber eben nicht so sicher wie einen Akaroa. Denn der Biskaya ist und bleibt deutlich schmaler als der Akaroa. Und gerade das macht ihn zu einem der schnellsten Seekajaks auf dem Markt. Und selbst die Biskayas 80, 90 und 100, die einen weniger runden Spant bekommen haben und dadurch deutlich kippstabiler sind als die Biskaya 65, 75 und 85, sind immer noch schneller als ein Akaroa – dafür aber auch immer noch weniger anfangsstabil – gerade bei kabbeliger See! Ein großer Vorteil der Biskaya-Serie, neben der Endgeschwindigkeit, ist aber ganz klar die Skalierung der unterschiedlichen Größen. Während der Akaroa in LV, MV und HV immer mehr oder weniger dieselbe Breite und Länge hat und lediglich in der Höhe angepasst wird, sind Biskaya 55 und 75 eigene Konstruktionen, die insgesamt in Breite, Länge und Höhe an den Paddler bzw. an die Paddlerin angepasst wurden. Hier finden also vor allem sehr kleine und leichte Paddler eher die richtige Größe, als beim Akaroa. Die Biskayas in den Größen 65 und 85 wurden dann jeweils wieder nur in der Höhe angepasst, der restliche Shape entspricht dem der 55er und 75er.
Das Unterschiff vom 80er, 90er und 100er ist ebenfalls bei allen drei Größen dasselbe. Denn die 0er-Serie wurde im Vergleich zu den ungeraden Biskayas insgesamt U-spantiger konstruiert. Das bedeutet anfangsstabiler und auch ein bisschen wendiger. Meiner Meinung nach fällt der Geschwindigkeitsunterschied zu den 75er und 85er Biskayas nicht ins Gewicht. Ich würde mich also immer für 80, 90 oder 100 entscheiden – je nachdem, wieviel Platz ich vor allem im Cockpit haben möchte. Es sei denn, ich verwende das Kajak nur auf dem Datteln-Hamm-Kanal zum täglichen Training.
Bild oben: Ise (Sebastian Wallner) in seinem flotten Biskaya 85 auf der Nordsee im Februar
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Kippunkt und Kante
Biskaya und Akaroa haben einen abgerundeten U-Spant. Dazu muss man wissen, dass der des Akaroa deutlich breiter und auch U-Spantiger ist. Deshalb ist auch die Anfangsstabilität höher. Biskaya 65, 75 und 85 haben wieder einen weniger ausgeprägten U-Spant als die Biskayas 80, 90 und 100. Deshalb lassen sich die schmaleren und runderen Biskaya 65, 75 und 85 natürlich auch leichter kanten, also mit weniger Aufwand bis zum Kippunkt bringen. Doch auch beim 80er, 90er und 100er gelingt das leicht und ohne zu viel Widerstand, trotzdem spürbar anders. Um den Akaroa zu kanten, muss deutlich mehr Bein- und Hüftarbeit her. Das macht einfach die größere Breite. Deshalb ist der Akaroa, bei einer gewünscht sportlichen Fahrweise, auch nicht für sehr leichte Paddler:innen uneingeschränkt zu empfehlen. Diese finden vor allem mit dem 55er und 65 er Traumkajak, denn diese beiden Größen sind noch einem spürbar schmaler als die größeren Biskayas. Natürlich kann ein kleiner Mann oder eine kleine Frau mit 65 Kilo auch einen Akaroa LV fahren – sie oder er sollte dann aber wissen, dass das Kajak bei dann zwar eine sichere Bank ist, sie oder er aber schon Abstriche beim Thema Spritzigkeit machen muss.
Durch den abgerundeten U-Spant lassen sich alle Biskayas und der Akaroa trotzdem mit viel Gefühl kanten, der Kippunkt ist gut spürbar und auch haltbar, ohne dass dieser plötzlich und ruckartig gleich überschritten wird, wie es bei manchen Kajaks mit sehr harten Kanten und einem “Schuhkarton”-Unterschiff der Fall sein kann. Diese Eigenschaft des U-Spants hilft dabei, das Kanten zu üben, etwas bei der Paddelstütze oder beim Manövrieren, beim Steuern des Seekajaks über die Kante.
Liegt der Akaroa einmal auf dem Kippunkt, ist er dort sehr stabil. Die Endstabilität ist enorm. Der Biskaya verlangt hier, aufgrund des runderen und schlankeren Unterschiffs, ein wenig mehr Gefühl.
Bild oben: Lutz beim entspannten Kanten mit Bogenschlag rückwärts im Akaroa MV
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Geradeauslauf
Klar, Akaroa und Biskaya laufen beide hervorragend geradeaus. Das war allerdings nicht immer so. Denn der Biskaya 2.0 hat durch die Reduzierung des Volumens vor allem im Vorder- und Hinterschiff (S-Schlag) und die neue Anordnung des Cockpits, das weiter hinten platziert wurde im Vergleich zum ersten Biskaya, einen deutlich besseren Geradeauslauf. Das macht sich vor allem bei Wind und Welle von schräg hinten deutlich bemerkbar – der Biskaya 2.0 benötigt erst viel später den Einsatz des Skeg als noch der Biskaya 1.0. Trotzdem bleibt ein Akaroa noch solider in der Spur. Manchmal fragt man sich gar, warum der Akaroa überhaupt ein Skeg/Steuer hat. Doch dann, bei ungünstiger Welle, freut man sich doch wieder drüber. Natürlich gilt all dies hier nur, wenn man aus all den Modellen die passende Größe wählt. Nimmt man einen zu großen Biskaya oder fährt man mit 55 Kilo einen Akaroa, so ist natürlich auch hier das Kurs halten erschwert.
Sollte dir der Biskaya zu steif sein, also zu gut geradeaus laufen und die Wendigkeit leiden, versuche dich an einem anderen Trimm. Bringe den Sitz zum ausprobieren in die ganz hintere und dann in die ganz vordere Position. Das Fahrverhalten verändert sich bei dem sensiblen Biskaya enorm. Bei vorderer Sitzeinstellung wird das Boot deutlich wendiger, was vor allem beim Training von Bogen- und anderen Steuerschlägen viel mehr Spaß macht. Auch beim Akaroa ist der unterschiedliche Trimm spürbar, ich fahre den Sitz im Akaroa fast immer ganz vorne. Möglich ist das bei beiden Booten nahezu ohne Einschränkung, da das neuere Z-Cockpit ein bisschen länger ist als das ältere X-Cockpit im Biskaya 1.0.
Biskaya 65, 75 und 85 haben durch den rundere Spant einen etwas besseren Geradeauslauf als die Biskayas 80, 90 und 100. Allerdings lassen sich letztere dafür schöner über die Kante steuern und sind insgesamt ein bisschen wendiger.
Bild oben: Nadja im Biskaya 1.0 bei Rückenwind im Mittelmeer. Keine Parade-Disziplin des Ur-Biskaya. Der 2.0 und der Akaroa können über solche Bedingungen nur schmunzeln.
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Surf
Der Akaroa ist ein hervorragendes Surfkajak. Das U-spantige und breite Unterschiff lässt ihn stabil surfen und auch im Surf gut über die Kante steuern. Der bauchige U-Spant greift beim kanten dermaßen gut, dass man das Gefühl hat, man säße in einem Kajak mit deutlich ausgeprägter, schärferer Kante. Das Kajak reagiert sofort auf die Befehle des Paddlers, der Paddlerin.
Der Biskaya surft durch sein schnelles und langes Unterwasserschiff mit der deutlich längeren Wasserlinie schnell an. Allerdings ist er im Surf ein wenig steifer als der Akaroa. Er reagiert nicht sofort mit einem Kurswechsel, wenn man die Kante in die Welle drückt. Hier gibt es aber wiederum Unterschiede zwischen den ungeraden und den geraden Biskayas. 80, 90 und 100 sind die besseren Surfer im Vergleich zu 75 und 85. 55 und 65 lasse ich hier mal außen vor, da die Boote nicht von mir in der Welle gefahren werden sollten, sondern von deutlich leichteren Paddler:innen. Bei Nadja surft der 65er sehr gut und ist auch agil genug in der Welle. Auch beim Einsatz in der Brandung machen die Biskayas eine gute Figur, hier hat der agile Akaroa aber auf jeden Fall die lange Nase vorne.
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Kommen wir zur Frage: Welches Boot für wen…
Pro Akaroa:
Bist du Kanulehrer:in, Fahrtenleiter:in oder ambitionierte Fotografin, die auch aus dem Kajak heraus Vögel, Paddler:innen oder sonstwas fotografieren möchte, dann geh auf Nummer sicher und nehm nen Akaroa. Assistieren beim Wiedereinstieg auch bei kabbeliger See oder in brechenden Wellen – das geht im Akaroa deutlich besser als in einem schmalen Biskaya. Spielst du gerne bis zum Erbrechen in der Brandung, fährst du häufig bei Starkwind, vor allem Seitenwind oder bei achterlicher See, und magst du es gar nicht, wenn dein Kajak viele Korrekturen benötigt, dann nimm einen Akaroa (Vorausgesetzt du bist nicht zu leicht). Willst du immer behaupten können, dass es nicht am Boot lag, wenn irgendwas schief gelaufen ist, dann nimm den Akaroa! Achja, eine Nebensache: Im Akaroa hast du tatsächlich auch spürbar mehr Platz für Gepäck als im Biskaya.
Bild oben: Auch für eher kleine Frauen und Männer kann der Akaroa eine Option sein, wenn sie oder er ein sehr sicheres Kajak sucht (rechts im Bild Nadja im Akaroa MV, heute würde sie einen LV wählen, gab es aber damals noch nicht)
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Pro Biskaya 2.0
Bis du klein und leicht, sportlich und/oder unter 70 Kilo schwer, dann nimm einen Biskaya. Denn auch im kleinsten 65er oder im sportlichen 75er wirst du mit deiner geringen Höhe und Körpermasse das Kajak keinesfalls als zu kippelig empfinden. Du bist groß/größer und schwer/schwerer und liebst schnelle Kajaks oder willst dein Boot auch mal zum Marathon einsetzen? Oder reißt du einfach wahnsinnig gerne viele Kilometer am Tag, vielleicht auch mal bei starkem Gegenwind oder bei Strömung von vorne? Willst du alles aus deinem Tag herausholen und willst du das letzte bisschen Speed – dann nimm einen Biskaya. Oder bist du eh immer der Langsamste in der Gruppe – ähm… dann arbeite an deiner Paddeltechnik… oder nimm einen Skinner 😉 Nein, keinen Skinner, aber einen Biskaya 55, 65, 75 oder 85 – denn das sind die schnellsten Biskayas! Wenn du relativ sicher paddelst, ein tolles Bootsgefühl und Spaß an einem sportlichen Kajak hast, oder du an der Aufgabe Biskaya wachsen möchtest, dann spricht natürlich auch nichts gegen den Biskaya. Genauso wenn du ein Kajak haben möchtest, das sich super schnell und agil kanten lässt. Denn kanten lassen sich die schlanken Biskayas quasi mit einem Ohrenzucken 😉
Einen Unterschied wirst du auch beim Sitzen feststellen. Während man im Akaroa eher breitbeiniger sitzt, fast wie in einem Wildwasserkajak, so ist die Beinposition im Biskaya eher gestreckt. Das eine ist nicht besser als das andere, hier gibt es Vorlieben in beide Richtungen. Ich bin mir aber sicher, dass du einen ziemlich krassen Unterschied feststellen wirst. Die Sitzposition kann sich nicht nur auf dein Wohlbefinden, sondern auch auf deine Performance beim Training oder im wilden Wasser auswirken. Unbedingt Probe sitzen. Der Biskaya hat zudem ein tiefer gezogenes Cockpit, sodass du mehr Rückenfreiheit hast. Diese Eigenschaft erleichtert dir auch den Einstieg von hinten, zum Beispiel nach einer Kenterung.
Weißt du was? Am besten testest du eh gleich beide Boote. Vielleicht sogar bei Wind und Welle in einem unserer Kurse, wir würden uns freuen 😉